Die Kosten-Nutzen-Analyse ist ein bewährtes Instrument, um sowohl im Projekt- als auch im Projektportfolio-Management herauszufinden, ob ein Projekt profitabel sein wird und wie der Nutzen im Hinblick auf die Kosten sichergestellt werden kann.
Bevor ich tiefer in die Kosten-Nutzen-Analyse einsteige und zwei verschiedene Kostenmodelle vorstelle, möchte ich in diesem Zusammenhang auf das Denken in Systemen eingehen, von dem wir bei der Kosten-Nutzen-Analyse Betrachtung profitieren werden.
Das Denken in Systemen
Was ist ein System? Ein System besteht standardmäßig aus drei Teilen:
1. Die Grundeinheiten oder Elemente
2. Die Verbindungen zwischen den Grundeinheiten bzw. Elementen
3. Der Zweck bzw. die Funktion eines Systems.
Ein Beispiel für ein System ist ein Unternehmen. Ein Unternehmen ist an sich zwar schon ein sehr komplexes System, aber vereinfacht gesagt besteht es aus vielen Grundelementen wie z.B. Mitarbeiter, Gebäude, technischen Elementen.
All diese Grundelemente sind miteinander verbunden und dienen dem Zweck bzw. der Funktion eines Unternehmens als System, z.B. Produkte auf den Markt zu bringen und profitabel zu sein.
Stabile Systeme können für eine lange Zeit sehr gut laufen und einwandfrei funktionieren auch trotz widriger Umstände, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Die Widerstandsfähigkeit – Die Fähigkeit Stressfaktoren auszuhalten und in den ursprünglichen Zustand zurückzukehren ohne irreparable Schäden zu erleiden
- Selbstorganisation – Die Fähigkeit sich eigenständig zu organisieren trotz wachsender Komplexität und die Fähigkeit sich an neue Situationen anzupassen
- Hierarchie: Die Gliederung des Gesamtsystems in mehrere Schichten bestehend aus kleineren Systemen und Subsystemen. Die kleineren Systeme und Subsysteme arbeiten mehr oder weniger unabhängig, während sie den Zielen des größeren Systems dienen. Das Ziel des größeren Systems ist, die Arbeit zwischen den kleineren Systemen und Subsystemen zu koordinieren und diesen helfen, besser zu funktionieren.
Wenn wir bei dem Beispiel eines Unternehmens als System bleiben, dann ist es wichtig, dass ein Unternehmen in der Lage sein muss, verschiedene Stressfaktoren auszuhalten. Dazu gehören z.B. Marktschwankungen, wirtschaftliche und politische Veränderungen.
Ein Unternehmen muss auch in der Lage sich eigenständig in verschiedenen Abteilungen zu organisieren und wenn ein Unternehmen wächst und größer und komplexer wird, muss es auch in der Lage sein, sich an neue Situationen eigenständig anzupassen, um optimal zu funktionieren.
Ein Unternehmen muss auch eine Hierarchie haben von der Geschäftsführung bis zu den einzelnen Mitarbeitern in verschiedenen Abteilungen, indem einzelne Mitarbeiter ihre Arbeit professionell ausführen und ihre Arbeit im Sinne einer Abteilung verrichten.
Weiterhin sollen verschiedene Abteilungen in der Lage sind, unabhängig voneinander zu funktionieren und gleichzeitig die Ziele des Managements und der Geschäftsführung erfüllen.
Das Rolle der Geschäftsführung und des Managements besteht darin, die Arbeit zwischen verschiedenen Abteilungen zu koordinieren und diesen helfen, besser zu funktionieren.
Ein nüchterner Blick in die Realität vieler Unternehmen lässt feststellen, dass ganz viele Unternehmen von dem oben beschriebenen Zustand weit entfernt sind.
Was leider oft festzustellen ist, dass einzelne Abteilungen nicht miteinander kooperieren, sondern eher miteinander konkurrieren.
Einzelne Abteilungen dienen weniger dem Wohl eines größeren Systems nämlich des Gesamtunternehmens, sondern sind vielmehr damit beschäftigt, lokale Optimierungen vorzunehmen, das Rad neu zu erfinden und das alles möglichst unabhängig voneinander.
Ein klassisches Beispiel für ein kleineres System in einem Unternehmen ist ein Projekt. In ein Projekt sind in der Regel mehrere Abteilungen involviert, die zusammenarbeiten sollten.
Statt der Zusammenarbeit stellt man oft ein Konkurrenzdenken fest. In einem Projekt gibt es oft eine bzw. mehrere Abteilungen, die die Arbeit im Projekt aufgrund verschiedener Probleme verlangsamen.
Solche Probleme sind z.B. die Überlastung der Mitarbeiter durch zu viele Projekte und mangelnde Ressourcen.
In diesem Fall spricht man von Engpässen im Rahmen der Projektarbeit.
Wenn z.B. fünf Abteilungen in einem Projekt mitarbeiten und vier davon arbeiten schnell genug und eine Abteilung läuft immer hinterher.
Dann spielt es keine Rolle, wie sich die schnellen Abteilungen weiter verbessern, um noch schneller zu werden.
Das gesamte System = ein Projekt wird dadurch nicht schneller, solange die fünfte Abteilung nicht schneller wird.
Deswegen ist es sehr wichtig, das Denken in Systemen zu fördern, um das Ganze im Blick zu behalten, Engpässe rechtzeitig zu erkennen und gezielte Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
In der Kosten-Nutzen-Analyse spielt das Denken in Systemen eine sehr wichtige Rolle.
Zwei Kostenmodelle
Es gibt zwei Arten von Kostenmodellen im Projekt-, Projektportfolio- und Multiprojektmanagement.
- Das klassische Kostenmodell – Hier liegt der Fokus darauf, die Aufgaben am effizientesten abzuarbeiten um Kosten zu reduzieren
- Das wachstumsorientierte Kostenmodell – Hier liegt der Fokus darauf, dass alle Unternehmensbereiche und Abteilungen möglichst einwandfrei untereinander funktionieren und sowohl Umsätze als auch Gewinne eines Unternehmens stetig wachsen
Die Kosten-Nutzen-Analyse als klassisches Kostenmodell
Wie bereits geschrieben ist der Fokus vom klassischen Kostenmodell, Aufgaben möglichst effizient abzuarbeiten, Kosten zu sparen, festgelegte Budgets einzuhalten.
Das klassische Kostenmodell hat folgende Haupteigenschaften:
- Der Hauptfokus ist die Erhöhung der Effizienz und die Einsparung von Kosten
- Die Kostenreduktion wird als besonders wichtig betrachtet, unabhängig davon, welche Auswirkungen dies auf ein Projekt als Ganzes im gesamten Projektlebenszyklus hat
- Die Kosten und Effizienz ist viel öfters ein Thema in vielen Projektmeetings als Gewinn, Umsatz, Wettbewerb bezogen auf das gesamte Projekt.
- Jede Abteilung ist bemüht, das eigene Budget im Fokus zu haben
- Die Kosten-Nutzen-Analyse im Business Case enthält oftmals nur grobe Annahmen, welche im Rahmen der Projektabwicklung nicht mehr verfolgt werden. Stattdessen werden Projektmanager danach gemessen, das festgelegte Budget einzuhalten
- Die Ressourcen arbeiten meistens im Multitasking Modus, was als Richtig gesehen wird, da angenommen wird, dass dadurch die Ressourcen am besten und effizientesten eingesetzt werden
Auf den ersten Blick scheinen die genannten Punkte ihre Daseinsberechtigung zu haben. Dies ist aber irreführend, wenn ein systemischer Blick wie oben beschrieben auf das Ganze geworfen wird.
Oft sind Projektmanager Experten nur in einem Bereich. Sie sind entweder gute Ingenieure oder kommen aus dem Bereich BWL.
Dazu kommt noch, dass ein Projektmanager in der Regel danach gemessen wird, ob er in seinen Projekten Termine und die Kosten einhalten kann.
Da Projektmanager nicht den Blick haben, wie sich ein Produkt z.B. seitens Vertrieb und Marketing entwickelt, ist die Sicht eingeschränkt.
Dies hat zur Folge, dass ein Projekt als ein kleines System nicht dem Zweck des größeren Systems nämlich des Gesamtunternehmens dient.
Wenn ein Unternehmen einen Engpass darin hat, nicht genug Marktanteile zu haben, dann macht es wenig Sinn, Projekte möglichst kosteneffizient zu gestalten und lange Projektlaufzeiten zu haben.
Es ist viel wichtiger an der Stelle, die Projektzeit zu reduzieren und möglichst schnell ein viel versprechendes Produkt auf den Markt zu bringen auch wenn dies dazu führt, dass zusätzliche Kosten durch externe Projektmitarbeiter entstehen könnten.
Das klassische Kostenmodell liefert oft nur eine begrenzte Sicht, was die Unternehmensziele angeht.
Damit ist es schwierig, richtige Entscheidungen bezüglich der Wahl der Projekte zu treffen, die den Unternehmenszielen am besten entsprechen.
Anders beschrieben gibt es ein alles verschlingendes schwarzes Loch zwischen Projekt-und Portfolio-Management und dem Vertrieb & Marketing, das dazu führt, das ein Unternehmen einen Blindflug hat und viele Fehlentscheidungen trifft.
Die Kosten-Nutzen-Analyse als wachstumsorientiertes Kostenmodell
Wenn man die meisten Unternehmen nimmt, dann ist das Hauptziel dieser Unternehmen nicht, die Kosten zu reduzieren, sondern zu wachsen, Marktanteile zu gewinnen, mehr Profit zu machen sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft also gewinnorientiert zu arbeiten.
Ähnliches trifft auch auf Non-Profit-Organisationen wie z.B. Schulen in zu. Auch wenn das Geld bei solchen Organisationen nicht im Mittelpunkt steht, beschäftigt man sich mit Wachstumsstrategien.
Wenn man z.B. bestrebt ist, Schulen in armen Ländern aufzubauen, denkt man darüber nach, wie solche Schulen möglichst flächendeckend aufgebaut werden können, damit viele arme Kinder solche Schulen besuchen und Bildung bekommen können.
Der Fokus des wachstumsorientierten Kostenmodells liegt auf Durchsatz (Throughput) eines Unternehmens, mit dem Gewinne durch Produkte oder Leistungen erzielt werden können.
Der Begriff Durchsatz kommt aus der Theory of Constraints (TOC) entwickelt durch Dr. Eli Goldratt.
Der Durchsatz wird erst dann in Betracht gezogen, wenn ein Kunde für Produkte oder Leistungen bezahlt hat.
Deswegen ist der Durchsatz eine reale Größe, die z.B. durch ein Projekt erzielt werden kann. Das ist keine Annahme, die im Rahmen von einem Business Case gemacht wird, sondern ein realer Wert.
Durch die laserscharfe Fokussierung auf den Durchsatz in einem Unternehmen als Gesamtsystem kann relativ schnell festgestellt, was nicht zum Durchsatz beiträgt, welche Abteilungen systemunabhängig arbeiten, wo Engpässe liegen und wie diese gelöst werden können.
Bei der Betrachtung eines Unternehmens als Gesamtorganisation gibt es drei Hauptmessgrößen , um den Wert eines Projektes zu evaluieren:
- 1Durchsatz (Throughput = T) errechnet sich aus den generierten Umsätzen minus alle variablen Kosten (alle Kosten, die durch den Verkauf eines Produktes entstehen): T = Umsatz – VK
- 2Investitionen (Investment)
- 3Betriebskosten (Operating expense) – alle Fixkosten
Faktor |
Projekt A |
Projekt B |
Projekt C |
---|---|---|---|
Umsatz |
300.000€ |
400.000€ |
350.000€ |
Alle variablen Kosten (VK) |
200.000€ |
280.000€ |
240.000€ |
Durchsatz (Umsatz-VK) |
100.000€ |
120.000€ |
110.000€ |
Möglichst jedes Projekt sollte im Rahmen der Kosten-Nutzen-Analyse einen Einfluss auf einen der oben genannten Größen haben.
Damit ein Projekt einen positiven Beitrag auf die Unternehmensziele hat, ist es notwendig, dass ein Projekt mindestens ein der folgenden Kriterien erfüllt:
- Erhöhung des Durchsatzes
- Reduktion der Investitionskosten
- Reduktion von Betriebskosten
- Die kombinierten Effekte für alle drei Messgrößen ergeben eine positive Bilanz sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft (z.B. eine größere Investition, welche einen höheren Durchsatz bringt und die getätigte Investition innerhalb von wenigen Jahren wieder kompensiert)
Je mehr der oben genannten Kriterien erfüllt werden, desto besser.
An der Stelle mag der Einwand kommen, dass es beim wachstumsorientierten Kostenmodell doch auch um die Kosteneinsparungen geht.
Dieser erste Blick täuscht aber. Denn in diesem Kostenmodell sind die Zusammenhänge und Abhängigkeiten zwischen Durchsatz, Investitionen und Betriebskosten stets visualisiert, was im klassischen Kostenmodell nicht der Fall ist.
Darüber hinaus berücksichtigt das wachstumsorientierte Kostenmodell vor allem eine Kooperation aller Fachabteilungen inklusive Vertrieb und Marketing, die zur Abwicklung eines Projektes erforderlich sind, welche gemeinsam den Unternehmenszielen dienen.
Fazit
Durch die obigen Betrachtungen heißt es nicht, dass das klassische Modell nicht relevant ist.
Die Kosten-Nutzen-Analyse als klassisches Kostenmodell kann durchaus verwendet werden, wenn es keine Standards gibt und Projekte oft zu spät und/oder zu viel Budget verbrauchen.
Nichtsdestotrotz ist das wachstumsorientierte Kostenmodell für das Management und die Unternehmensführung deutlich interessanter und langfristig viel stabiler , weil es ein Unternehmen als gesamtes System betrachtet und bei der Kosten-Nutzen-Analyse die Auswirkungen aus allen Unternehmensbereichen und Abteilungen berücksichtigt und bewertet werden.
Ein entscheidender Unterschied zwischen dem klassischen und dem wachstumsorientierten Kostenmodell besteht darin, dass das wachstumsorientierte Kostenmodell klare Abhängigkeiten zwischen dem Durchsatz und den Kosten in Betracht zieht.
Im klassischen Kostenmodell schaut der Projektmanager nur lokal darauf, dass die Kosten möglichst gespart werden. Es gibt keinen Zusammenhang, wie sich die Kostenreduktion auf das Unternehmen als Gesamtsystem auswirkt.
Im wachstumsorientierten Modell sind die Zusammenhänge und Abhängigkeiten zwischen Durchsatz, Investitionen und Betriebskosten stets visualisiert.
Wenn z.B. in der Entwicklungsabteilung spezielle Features für ein Produkt entwickelt werden, welche zu Kostenersparnissen führen, die Marktanalyse aber zeigt, dass der Markt andere Bedürfnisse hat oder die Entwicklung von speziellen Features dazu führt, dass ein Produkt später auf den Markt kommt und ein früher Markteintritt eine wichtige Rolle spielt, dann können solche Kostenersparnisse negative Auswirkungen auf die Unternehmensziele.
Aus genannten Gründen ist es zur Erreichung der Unternehmensziele unabdingbar, die Kosten-Nutzen-Analyse systematisch zu betrachten und möglichst jedes Projekt mit drei Hauptmessgrößen Durchsatz, Investitionen und Betriebskosten zu evaluieren.