Ratgeber Lessons Learned für erfolgreiches Projektmanagement

lessons learned

Lessons Learned ist nichts anderes als gewonnene Erfahrungen aus einem oder mehreren Projekten. Diese Erfahrungen können sowohl positiv als auch negativ sein.

Die positiven Erfahrungen  aus Lessons Learned sind Best Practices, die je nach Wichtigkeit für möglichst viele anstehenden Projekte zur Verfügung gestellt werden sollten.

Die negativen Erfahrungen aus Lessons Learned sind oftmals schmerzhafte Erfahrungen, die im Laufe eines Projekte gemacht wurden und aus denen möglichst viele Lehren für neue Projekte gezogen werden sollten.

Was ich leider ziemlich oft festgestellt habe, dass sich viel zu viele Projektmanager und Projektteams zu sehr auf negative Erfahrungen konzentrieren und positive Lehren bzw. Best Practices auf der Strecken bleiben.

Die so genannten Best Practices sollten möglichst in die weiten Teile der Organisation gestreut werden auch außerhalb der Projektmanagementabteilung und einzelner Projektteams. 

Für all diejenigen, die mit dem Begriff VUCA nichts bzw. wenig anfangen können, hier eine kleine Erklärung:

vuca lessons learned
  • V für Volatility – Die Volatilität bzw. Unbeständigkeit ist heutzutage eine Grundannahme in Projekten, da sich das Marktumfeld häufig und umfassend verändert. Die Volatilität beschreibt die Schwankungsintensität über den zeitlichen Verlauf. Solche Schwankungen sind z.B. in Aktienkursen öfters der Fall.
  • U für Uncertainity – Die Unsicherheit ist ein weiterer wichtiger Faktor im Projektumfeld. Detaillierte Konzepte und genau ausgearbeitete Projektpläne sind lange keine Garantie mehr für den Projekterfolg.
  • C für Complexity – Die Komplexität der Projektwelt ist heutzutage viel größer als dies noch vor 20-30 Jahren der Fall war. Ein gutes Beispiel dafür ist das Internet. Das Internet vor ca. 25-30 Jahren war in seinen Anfängen noch überschaubar. Heute ist das Internet ein gigantisches weltweites Netzwerk, was extrem komplex geworden ist
  • A für Ambiguity – Die Ambiguität bzw. Mehrdeutigkeit ist eine Standard Umgebung in den Projekten, da z.B. die gleichen Informationen von Kunden, Stakeholdern und Projektteams ganz unterschiedlich gedeutet werden können. Diese Missverständnisse beginnen schon am Anfang eines Projektes, wenn es um Projektanforderungen geht.

Lessons Learned in der klassischen Welt

Bei der Betrachtung der bereits beschriebenen Projektmanagement Phasen und Prozessgruppen aus dem klassischen Projektmanagement ist es ersichtlich, dass eine Sammlung der Lessons Learned am Ende einer Projektphase (Prozessgruppe Abschluss) durchgeführt wird.

Dabei werden prinzipiell drei Fragen betrachtet:

  • Was ist gut gelaufen?
  • Was ist schlecht gelaufen?
  • Was hat man daraus gelernt?

D.h. wenn ein klassisches Projekt nur eine einzige Projektphase hat, wird der Rückblick auf das gesamte Projekt ein einziges Mal gemacht. 

Angenommen dauert ein Projekt 12 Monate. Daraus resultiert, dass der Rückblick und die Betrachtung der Fehler bzw. Best Practices nur ein Mal erfolgt, was in der heutigen VUCA-Welt äußerst selten ist.

Was heute am meisten zählt sind:

  • Schnelligkeit
  • Flexibilität
  • Fokus auf das Wichtigste

Ein erfolgreiches Unternehmen kann sich heute nicht mehr wie früher erlauben, lange Zeit Verbesserungen zu ignorieren und trotzdem der Marktführer bleiben.

In vielen Unternehmen ist es leider eine traurige Realität, dass die Lessons Learned mit klassischen Projekten keine bedeutende Rolle spielen.

Demnach die kontinuierliche Entwicklung des Projektgeschäfts und letztendlich des Unternehmens auf der Strecke bleibt. 

Lessons Learned in der agilen Welt

In der agilen Welt z.B im SCRUM Framework sieht es deutlich besser aus. Die Sprints dauern maximal 1-4 Wochen. Innerhalb dieser vier Wochen laufen mehrere Sprint Events wie Sprint Planung, Daily Scrum, Sprint Review und Sprint Retrospektive.

Lessons_Learned_Scrum

Die Sprint Retrospektive verfolgt folgende Ziele:

  • Überprüfung, wie der letzte Sprint in Bezug auf Menschen, Beziehungen, Prozesse und Tools gelaufen ist
  • Identifikation und Festlegung der Reihenfolge von wichtigsten Punkten, die gut gelaufen sind und was zu verbessern ist
  • Einen Plan festlegen, wie die Lessons Learned im Scrum Team umgesetzt werden können

Da ein Sprint maximal vier Wochen dauert, ist dies eine überschaubare Zeitspanne, um festzustellen, ob das Team im Projekt noch an richtigen Anforderungen arbeitet und welche Schritte unter Umständen aufgrund von VUCA als Nächstes vorzunehmen sind.

Darüber hinaus können Verbesserungen spätestens alle vier Wochen erfolgen, die nicht erst im nächsten, sondern im gleichen Projekt und im gleichen Team umgesetzt werden können, was die Lerneffekte deutlich erhöht.

D.h. wenn ein Unternehmen z.B. das SCRUM Framework mit entsprechenden Events für das Projektgeschäft etabliert, stehen die Chancen gut, dass der Rückblick auf die Entwicklungen in einem Projekt öfters vorgenommen und die Verbesserungen regelmäßig umgesetzt werden.

Es spielt keine Rolle, ob SCRUM oder eine andere agile Methode zum Einsatz kommt.

Wichtig ist, dass ein regelmäßig Rückblick und eine ehrliche Projektbewertung stattfinden, die wichtigsten Verbesserungen identifiziert und kontinuierlich umgesetzt werden.

Die Realität zeigt leider, dass auch die Unternehmen, die sich agil nennen, die notwendigen Verbesserungen öfters ignorieren oder z.B. im SCRUM Framework die Sprint Retrospektive überspringen.

Dazu kommt noch, dass trotz der Agilität der Blick auf das gesamte Unternehmen oft fehlt und die Verbesserungen zwar in einem Bereich oder einer Abteilung lokal erfolgen aber selten im Kontext des Unternehmens betrachtet und umgesetzt werden. 

Lessons Learned mit Blick auf das Unternehmen als Ganzes

Unabhängig davon, ob Projekte klassisch oder agil abgewickelt werden, spielt im Blick auf die notwendigen Verbesserungen der Fokus auf das Unternehmen als Gesamtsystem aus der langfristigen Perspektive eine sehr wichtige Rolle. 

Im Buch “Die 7 Wege zur Effektivität” von Stephen R. Covey sind vier Quadranten beschrieben:

Eisenhower_Matrix
  • Quadrant 1: Wichtig & dringend
  • Quadrant 2: Wichtig & Nicht dringend
  • Quadrant 3: Dringend & Nicht wichtig
  • Quadrant 4: Nicht dringend & Nicht wichtig

Von diesen 4 Quadranten ist Quadrant 2 der Wichtigste.

Da dieser Quadrant nicht dringend ist, drängen sich in den meisten Unternehmen die Aktivitäten aus anderen 3 Quadranten in den Vordergrund, was dazu führt, dass ein Unternehmen langfristig auf der Strecke bleibt. 

Die Erfahrungen aus Lessons Learned sind im Quadrant 2 angesiedelt und werden leider viel zu oft vernachlässigt.

Darüber hinaus fokussieren sich viele Unternehmen auf lokale Optimierungen z.B. Verbesserungen in einer Abteilung und verlieren dabei sehr schnell den Blick auf die Firma als komplettes System.

Da sich jede Abteilung unterschiedlich optimiert und asynchron entwickelt und dazu noch lokale Kennzahlen (auf eine Abteilung bezogen) zur Erfolgsmessung verwendet werden, wiegen sich die Unternehmen in der Illusion, dass man vorankommt.  In der Tat tritt man auf der Stelle. 

Um in der heutigen Zeit die Schnelligkeit, Flexibilität und den Fokus auf das Wichtigste nicht zu verlieren und im Projektgeschäft auf der Überholspur zu sein, sind folgende Schritte unbedingt notwendig:

1. Lessons Learned aus Projekten regelmäßig sammeln

Der größte Engpass in ganz vielen Unternehmen ist das Management. Warum? Wenn Lessons Learned für das Management nicht wichtig ist und dem seitens Unternehmensführung kein bzw. wenig Wert beigemessen wird, wird auch die Belegschaft früher oder später diese als nicht wichtig erachten.

Deswegen reicht es nicht, die Sammlung von Lessons Learned einfach den Projektteams zu überlassen. Das Management muss unbedingt signalisieren, dass gewonnene Erfahrungen aus Projekten wichtig und kontinuierliche Verbesserungen willkommen sind.

Dabei reicht es nicht, einen Rückblick auf gewonnene Erfahrungen 1x oder 2x im Jahr zu werfen. Dies soll ein regelmäßiger Prozess sein und im Idealfall wie in SCRUM spätestens alle 4 Wochen erfolgen.

2. Wichtigste Lessons Learned identifizieren

Wer schnell, flexibel und immer der Konkurrenz voraus sein möchte, weiß, wie wichtig es ist, sich auf das Wichtigste zu fokussieren.

Wenn eine lange Liste mit Lessons Learned erstellt ist, ist es unabdingbar, diese Liste durchzugehen und nur die Punkte herauszupicken, die den größten Einfluss  auf die Arbeitsweise des Projektteams haben können. Das ist die erste Dimension.

Darüber hinaus sollte es einen regelmäßigen Austausch unter Projektleitern projektübergreifend geben, wo die besten Lessons Learned und Best Practices präsentiert werden, damit möglichst alle Projekte davon profitieren können. Das ist die zweite Dimension

Außerdem sollen Best of the Best Verbesserungen abteilungsübergreifend diskutiert und für die Umsetzung vorgesehen werden. Das ist die dritte und wichtigste Dimension, die fast immer ignoriert wird.

3. Unternehmensweite Fokussierung auf die Umsetzung Best of the Best Lessons Learned

Sobald die wichtigsten Verbesserungen in allen drei Dimensionen identifiziert sind, geht es an die Umsetzung. Dabei sind Verbesserungen der Dimension 3 (mit Fokus auf das Gesamtunternehmen) besonders wichtig.

Ich habe viele Unternehmen gesehen, in denen eifrig versucht wird, lokale Verbessurgen abteilungsintern zu implementieren. Das ist gut und auch immer wieder notwendig.

Auf der anderen Seite bringt es sehr wenig, dass bei der Projektabwicklung z.B.  in der Produktion oder Montage alle Prozesse auf das Maximum optimiert sind, aber in der Entwicklungsabteilung trotzdem viel Zeit verloren geht und fast jedes Projekt zu spät ist.

Was vielen Organisationen fehlt, ist der gesamthafte Blick auf alle Abteilungen, die in die Projektabwicklung involviert sind. 

4. Das Mindset vom Management bei der Umsetzung von Lessons Learned

Wie bereits erwähnt, ist der größte Engpass das Management. Wenn das Management kontinuierliche Verbesserungen nicht fördert, werden diese auch von Projektmitarbeitern ignoriert.

Deswegen ist es von besonderer Bedeutung, den Fokus auf regelmäßige Verbesserungen zu setzen und dabei das gesamte Unternehmen bei der Umsetzung im Blick zu behalten.

Damit ist es sichergestellt, dass ein Unternehmen am Puls der Zeit bleibt, schnell und flexibel reagiert und der Konkurrenz voraus ist.

Über den Autor

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Dieter Zibert

Dieter Zibert ist Projektmanagement Consultant mit langjähriger Erfahrung im Projektportfolio-Management, Aufbau von professionellen PMOs, Business Transformation, Change Management, hybriden Projektmanagement durch Anwendung von klassischem, agilem und Critical Chain Projektmanagement und in der Anwendung von TOC Prinzipien, um signifikante Verbesserungen für die Kunden zu erzielen.

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